Die Deutsche Welle befragte in einem Interview am 30.09.2008 für ihre Rubrik "Fokus Afrika" den Somaliaexperten Dipl.-Pol. Mathias Weber zum Piraterieproblem vor der Küste Somalias.
Das komplette Interview mit Dipl.-Pol. Mathias Weber können Sie hier nachlesen:
Karin Jäger: „,Piraterie als Milliardengeschäft: Zur Situation vor Somalias Küste' und ,Gewinne mit Reisanbau: über die Landwirtschaft in Nigeria'. Von diesen Themen hören Sie jetzt mehr im Fokus Afrika. Mein Name Karin Jäger.
In der vergangenen Woche wurde vor der Küste Somalias ein ukrainisches Schiff entführt. Mal wieder, denn fast jede Woche kapern somalische Piraten dort mittlerweile Schiffe. Dieses Mal aber hatte der Frachter eine brisante Ware geladen: mehr als 30 Panzer. Ob es die Piraten auf die Waffen abgesehen haben, ist nicht ganz klar. Zur aktuellen Entwicklung Wim Dugenbusch.“
Wim Dugenbusch: „Die Lage an Bord des gekaperten ukrainischen Frachters MV Faina hat sich dramatisch zugespitzt. Offenbar lieferten sich die Piraten untereinander eine Schießerei, bei der drei Männer ums Leben gekommen sind. Zwischen den Entführern sei ein Streit über das weitere Vorgehen ausgebrochen, erklärte Andrew Mwangura, der Vorsitzende des ostafrikanischen Seefahrerhilfsprogramms.“
Andrew Mwangura: „Unter den Piraten an Bord gibt es eine moderate Gruppe und einige Radikale. Nachdem aber mehrere Kriegsschiffe die Entführer verfolgen, sind sie sehr nervös geworden und aufeinander losgegangen.“
W. Dugenbusch: „Nach Mwanguras Informationen wollte ein Teil der etwa 50 Piraten gestern das Schiff und seine Besatzung freigeben und flüchten. Die Gangster hatten den mit 33 russischen Kampfpanzern und Waffen beladenen Frachter Ende letzter Woche vor der somalischen Küste in ihre Gewalt gebracht und fordern nun 20 Millionen Dollar Lösegeld. Inzwischen wird die MV Faina jedoch von mehreren Schiffen der amerikanischen Marine bewacht. Nathan Christensen, Sprecher der 5. Flotte der U.S. Navy erklärte, man habe sich den Piraten auf 10 Meilen genähert.“
Nathan Christensen: „Unsere Schiffe beobachten genau, was die Piraten unternehmen. Wir werden für die Sicherheit der 20-köpfigen Besatzung sorgen und wir werden verhindern, dass das Schiff entladen wird.“
W. Dugenbusch: „Das Horn von Afrika gilt als die gefährlichste Wasserstraße der Welt. Alleine in diesem Jahr sind nach Angaben des Seefahrerhilfsprogramms vor der Küste Somalias und im Golf von Aden 54 Schiffe angegriffen und 26 entführt worden. 12 Schiffe mit etwa 200 Besatzungsmitgliedern an Bord befinden sich immer noch in der Gewalt der Piraten.“
K. Jäger: „Piraterie gilt auch noch im 21. Jahrhundert als Milliardengeschäft. Frankreich und Spanien fordern daher eine ständige EU-Marineeinheit als Patrouille für die somalischen Gewässer. Meine Kollegin Christina Harries hat den Somaliaexperten Mathias Weber gefragt, was er von solch einer Operation hält.“
Mathias Weber: „Ich denke, es macht schon Sinn da auch Militär einzusetzen, um die Schiffe zu schützen. Das Problem ist natürlich nur, dass da über 20.000 Schiffe im Jahr am Golf von Aden lang fahren. Es wird sehr schwer sein, alle diese Schiffe zu schützen. Für die Piraten sind diese Überfälle und Entführungen natürlich sehr lukrativ. In Somalia ist ja seit 17 Jahren Bürgerkrieg und die ganzen jungen Männer haben da praktisch keine Perspektiven. Und ein großes Problem war es auch, dass die großen internationalen Industriefischer vor den Küsten Somalias die ganzen Fische weggefischt haben und damit den Fischern vor Somalia die Ernährungsgrundlage entzogen wurde. Die Piraterie hat damit angefangen, dass diese Industriefischer überfallen wurden und man gemerkt hat, dass sie damit sehr viel Geld machen können. Danach gab es dann viel mehr Entführungen und Überfälle und damit werden ganze Familien in den anliegenden Küstendörfern versorgt.“
Christina Harries: „Warum sind denn Länder wie Frankreich, Spanien und jetzt aktuell im Falle des gekaperten ukrainischen Schiffes in den somalischen Gewässern mit ihren Marineeinheiten so aktiv? Also warum wählen einige Länder diesen Weg und sagen, wir engagieren uns da jetzt mehr, und andere Länder sich komplett raushalten?“
M. Weber: „Es besteht natürlich die Gefahr, dass der Konflikt sich wieder ausweitet, dass es eben zu einem heißen Konflikt wird, weil dort alles sehr unsicher ist und natürlich die Piraten auch sehr aufgerüstet haben. Es ist natürlich sinnvoll, da gemeinsam gegen vorzugehen. Die Bundeswehr ist ja auch seit 2002 am Golf von Aden eingesetzt, um da eben im Rahmen von ,Enduring Freedom' - der Anti-Terror-Operationen der USA - dort gegen den Terrorismus zu kämpfen und die Nachschubwege für den Terrorismus abzuschneiden. Das Problem ist nur, dass eben die Bundeswehr da nur Überwachungsfunktionen hat, das heißt, es werden die Schiffe kontrolliert, die da vorbeifahren und die werden auch mehr abgefragt, wohin die Schiffe fahren, welche Fracht sie geladen haben, aber der Bundeswehr ist untersagt, einzugreifen. Also die Bundeswehr darf praktisch nur im Rahmen des Nothilferechts agieren, das heißt, wenn ein unmittelbarer Angriff der Piraten erfolgt. Dann darf die Bundeswehr eingreifen. Und sobald der Angriff abgebrochen wird von den Piraten, ist es der Bundeswehr sogar untersagt, die Piraten zu verfolgen.“
C. Harries: „Würden Sie denn sagen, dass viele Schiffe da unnötigerweise auch langfahren?“
M. Weber: „Es ist natürlich durchaus bekannt, dass die Gefahr dort besteht, aber es ist auch so, dass jetzt die Piraten ihren Aktionsradius immer mehr ausgeweitet haben. Also es ist ja so, dass die sogar schon bis kurz vor den Jemen Überfälle begangen haben. Und die haben auch dann große Schiffe, die erbeutet wurden, als Ausgangsbasis genommen, um eine größere Reichweite zu haben und Schiffe zu überfallen.“
K. Jäger: „Das war Somaliaexperte Mathias Weber.“
Das Interview mit Dipl.-Pol. Mathias Weber zum Anhören finden Sie hier.