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Interview mit dem Deutschlandradio Kultur am 25.01.2011

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Somalia ein Nährboden für Piraten: Warum?

Die Piraterie bereitet sich vor allem vor der Küste Somalias aus. Am Telefon ist jetzt Abdirizak Sheikh, Diplom Politologe, gebürtiger Somalier. Er hat hier studiert, in Frankfurt bei einer großen Investmentbank gearbeitet und ein Buch über sein Land geschrieben „Kein Frieden für Somalia?“

Moderatorin: „Einen schönen guten Morgen Herr Sheikh.“

Sheikh: „Einen schönen guten Morgen.“

Moderatorin: „Trifft es Sie den persönlich, wenn von Ihrem Heimatland Somalia immer nur im Zusammenhang mit Piraten gesprochen wird?“

Sheikh: „Ja, selbstverständlich. Man liest man ja viel in den Zeitungen und die Leute, die ich kenne, sprechen mich an und fragen: Was ist denn mit euch los? Wieso machen denn die Somalis diese Piraterie? Das macht mir auch zu schaffen. Ich mache mir auch Gedanken darüber, warum das so ist. Die Leute wissen nicht, warum diese Piraten diese Sachen machen aber es gibt Hintergründe und Ursachen für diese Probleme.“

Moderatorin: „Dann lassen Sie uns diese Hintergründe beleuchten. Somalia ist ja seit 1991 ein sogenannter „Failed State“, also das nennt man auf Englisch so ein Land, was keine wirkliche Regierung hat. Ist das eine der Ursachen, warum sich das Piratenhandwerk dort ausbreiten kann?“

Sheikh: „Als der damalige Präsident Siad Barre seine Macht verlor und die staatliche Ordnung zusammenbrach, tauchten Fangflotten aus dem Ausland, vor allem aus Asien und Europa auf und fischten in Hoheitsgewässern von Somalia illegal die Fischbestände leer. Und die Leute dann, die dort ihr Leben als Fischer finanzierten, verloren ihren Job und fingen dann an diese Schiffe auch anzugreifen, die da vorbeifuhren, vor der Küste Somalias.“

Moderatorin: „Das heißt, die Leute haben, wie Sie das schildern, keine andere Chance, als sozusagen über das Piratenhandwerk ihr Einkommen zu sichern?“

Sheikh: „So ist das.“

Moderatorin: „Also nicht alle. Wir reden aber nur von einem Teil.“

Sheikh: „Aber ein Teil, weil sie dann ihren Job verloren haben. Vor der Küste, wie ich vorhin erwähnt habe, sind ja europäische und asiatische Nationen, die dort ihre Fische und damit ihre Jobs, weggenommen haben und deshalb fingen sie dann an, diese Schiffe anzugreifen, die da vorbeifahren, damit sie dann ihr Leben sichern können.“

Moderatorin: „Es gibt auch Berichte darüber, dass auch vor der Küste Somalias der europäische Müll, also die Wohlstandsgesellschaft ihren Müll ablädt. Haben Sie darüber Informationen?“

Sheikh: „Ja, vor einiger Zeit habe ich darüber Berichte gelesen. Es gab ja auch eine Italienerin, die lange recherchierte und die fand dann heraus, dass die italienische Industrie vor der Küste Somalias soviel Müll, also Container, Giftcontainer da hingeschmissen haben. Als das dann raus kam, wurde sie sogar ermordet. Das stand in Italien überall in den Zeitungen. Das wurde aber hier in Deutschland nicht veröffentlicht.“

Moderatorin: „Damit wir bisschen Aufklärung geben können, auch den Menschen hier in Deutschland. Sie haben ein Buch geschrieben, das heißt „Kein Frieden für Somalia?“ mit einem Fragezeichen. Kann denn Frieden in Somalia kommen? Bestimmt nicht von heute auf morgen, aber langfristig?“

Sheikh: „In Somalia gibt es eine Clanproblematik. Wenn man diese Clanproblematik versteht, dann weiß man, warum es in Somalia keinem Frieden geben wird. In Somalia herrschen ja seit Jahren Clans, die für sich das Recht beanspruchen das Land zu regieren und verstehen von Demokratie oder der Politik dieser Welt gar nichts. Die haben nur ein Clandenken im Kopf. Solange dieses Clandenken in Somalia herrscht, wird keine Regierung, keine demokratische Regierung entstehen. Das habe ich auch in meinem Buch so geschrieben.“

Moderatorin: „Also noch ein langer Weg zum Frieden.“

Hinweis: Diese Abschrift des Interviews wurde redaktionell bearbeitet.

Das Interview mit Dipl.-Pol. Abdirizak Sheikh zum Anhören finden Sie hier.


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