Mathias Weber: „Mein Name ist Mathias Weber. Ich habe das Buch 'Kein Frieden für Somalia?' herausgegeben, in dem ich die Lage in Somalia beschreibe. Ich beschäftige mich seit über zwanzig Jahren mit dem Thema 'Somalia'.“
DIE NEUE 107.7: „Herr Weber, können Sie uns ein paar allgemeine Worte zur Situation in Somalia sagen? Wie sieht es dort im Moment aus, bzw. wo liegen die Probleme genau?“
Mathias Weber: „Die Lage ist katastrophal. Es herrscht jetzt eine sehr schwere Dürre in Somalia, die schwerste seit über sechzig Jahren. Es gab immer mal wieder Dürre-Katastrophen, doch dieses Mal ist alles noch viel schlimmer. Das Problem ist, dass die somalischen Nomaden kein Wasser mehr an den Wasserstellen vorfinden können und ihre Nutztiere dadurch sterben. Die Bauern können auch nicht mehr die Felder bestellen, weil eben kein Wasser mehr vorhanden ist.“
DIE NEUE 107.7: „Welche Rolle spielt diese Miliz dabei?“
Mathias Weber: „Die Al Shabaab möchten einen 'Steinzeit-Islam' in Somalia etablieren. Das heißt, dass sie die ganze Bevölkerung drangsalieren und versuchen, alles zu kontrollieren. Vergleichbar ist das mit der Taliban in Afghanistan. Was die Taliban in Afghanistan war, das ist die Al Shabaab in Somalia. Das Problem ist, dass Al Shabaab vor zwei Jahren die Hilfsorganisationen aus dem Land geworfen hat und damit sind auch sämtliche Hilfsstrukturen in Somalia zusammengebrochen. Das bedeutet, dass die Menschen keine Hilfe von außen erwarten können. Die Menschen sind völlig hilflos und haben nur die Chance über die Grenzen in die Nachbarländer zu fliehen – nach Äthiopien oder nach Kenia und sich dann in Flüchtlingslagern einzufinden.“
DIE NEUE 107.7: „Was kann bzw. was sollte die internationale Gemeinschaft tun, um dagegen etwas zu unternehmen? Kann man diese Al-Shabaab-Milizen in irgendeiner Form stoppen?“
Mathias Weber: „Die Al Shabaab ist relativ stark. Sie werden sowohl von ausländischen Kämpfern als auch mit Geld aus dem Ausland unterstützt. Es ist sehr schwer, sie zu stoppen. Man müsste wieder militärisch eingreifen, was aber auch zu sehr großen Problemen führen würde, wie es sich in der Vergangenheit gezeigt hat. Der UNO-Einsatz in Somalia oder auch der Einmarsch der äthiopischen Truppen 2006 haben gezeigt, dass Interventionen von außen immer schwer sind und eigentlich nicht in der Lage, das Land zu befrieden. Was die Vereinten Nationen machen können, ist Erste Hilfe leisten. Das bedeutet, von Flugzeugen aus Lebensmittel über dem Land abzuwerfen, da ausländische Helfer bedroht und verfolgt werden. Von daher ist es sehr gefährlich, im Land zu agieren.“
DIE NEUE 107.7: „Sie hatten gerade schon angesprochen was man tun kann. Aber was wird denn Ihrer Einschätzung nach die internationale Gemeinschaft jetzt tun? Für wie wahrscheinlich halten Sie eine militärische Interventionen?“
Mathias Weber: „Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Gerade mit Blick auf die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte, wird es, meiner Meinung nach, keine Intervention geben. Die internationale Staatengemeinschaft wird versuchen in den Nachbarländern die Flüchtlinge zu versorgen und dort noch mehr Flüchtlingslager aufzubauen. Außerdem wird versucht, in Mogadischu, der Hauptstadt Somalias, Hilfszentren aufzubauen. Dort gibt es noch Bereiche und Stadtteile, die nicht von Al Shabaab kontrolliert werden und das wäre ein Ansatzpunkt. Wenn im Land oder in Mogadischu Hilfszentren aufgebaut werden, können die Menschen auch dahin fliehen.“
DIE NEUE 107.7: „Wie würden Sie das Krisenmanagement bis jetzt beurteilen, vor allem natürlich das der Bundesregierung?“
Mathias Weber: „Natürlich könnte man noch mehr tun und mehr Gelder zu Verfügung stellen. Man hätte eigentlich viel schneller eingreifen müssen, weil sich die ganze Lage schon vor einem halben Jahr abgezeichnet hat, als der Regen während der Regenzeit ausgeblieben ist. Da war eigentlich schon klar, dass sich eine Katastrophe entwickelt. Man hätte viel früher aktiv werden müssen, um in Somalia einzugreifen. Jetzt kann man nur Erste-Hilfe-Maßnahmen leisten und so schnell wie möglich den Menschen Wasser und Essen bringen. Das lässt sich nur mit einem Großeinsatz bewerkstelligen, mit dem man die Menschen vor Ort versorgt.“
DIE NEUE 107.7: „Und was würden Sie vorschlagen, was langfristige Maßnahmen sein könnten, um en Menschen in Somalia das Leben etwas zu erleichtern, damit in ein paar Jahren nicht wieder genau dasselbe passiert?“
Mathias Weber: „Langfristige Maßnahmen sind sehr wichtig. Man muss versuchen Somalia zu befrieden, den Menschen eine Lebensperspektive geben. Eine andere Möglichkeit wäre z.B. in Gebiete, die nicht von Al Shabaab kontrolliert sind, reinzugehen, sie aufzubauen bzw. Gruppen vor Ort zu unterstützen, das Land wieder aufzubauen. Wenn einige Regionen aufgebaut werden, hat es auch eine Ausstrahlungsfunktion für andere Gebiete. Das heißt, man muss vor Ort helfen, wo es möglich ist: Schulen und Gesundheitszentren aufbauen, um den Menschen eine Lebensperspektive zu geben.“