Am 15.5.1998 fand in Nord-Ost-Somalia, genannt Puntland, eine verfassungsgebende Konferenz in Garowe statt. Teilnehmende Clans waren die Majerten, Dulbahnten und Warsangelis. Auf dieser Versammlung einigten sich die über 600 Teilnehmer auf ein Präsidialsystem, bestehend aus einem Präsidenten und einem Parlament mit 69 Abgeordneten, ergänzt durch einen Ältestenrat (Isimada). Die Teilnehmer befürworteten ein föderales Staatssystem für ganz Somalia. Puntland sollte dabei ein Bundesland in diesem Staatenverbund sein. Ein föderales System müsste allerdings analog der Clangrenzen aufgeteilt werden. Die Problematik liegt darin, dass die verschiedenen somalischen Clans sehr verstreut und durchmischt in den Gebieten leben und nicht klar getrennt werden können. Außerdem ist es strittig, welche Gebiete zu Somaliland und Puntland gehören.
Am 1. August 1998 wählte das Parlament von Puntland eine dreijährige Übergangsregierung unter der Führung Abdullahi Yussuf, der als Präsident des Parlaments gewählt wurde. Abdullahi Yussuf ist ein ehemaliger Colonel des somalischen Militärs, der in den 70er Jahren nach der Niederlage Somalias im Ogaden-Krieg einen Putsch gegen den Diktator Siad Barre inszeniert hatte, der aber niedergeschlagen wurde. Daraufhin lief Yussuf zu Äthiopien über und lebte dort bis zum somalischen Bürgerkrieg. Nachdem Siad Barre gestürzt war, kehrte er mit seinen Truppen in sein ehemaliges Clan-Gebiet im Puntland zurück.
Nach Ablauf der vereinbarten Amtszeit am 30. Juni 2001 weigerte sich der Interimspräsident Abdullahi Yussuf, sein Amt abzugeben. Der Ältestenrat warf Yussuf die Nichteinhaltung vereinbarter Abkommen vor. Das in der Verfassung verankerte Referendum wurde von Yussuf unter fadenscheinigen Begründungen nicht abgehalten. Bei dem vorgesehenen Referendum sollte nach der Übergangszeit durch die Bevölkerung ein neues Parlament und ein neuer Präsident gewählt werden. Yussuf sah seinen Machtanspruch in Gefahr und verhinderte die vereinbarten Wahlen. Daraufhin erklärte ihn der Ältestenrat für abgesetzt und ernannte Jama Ali Jama am 19. November 2001 zu seinem Nachfolger. Dieser wurde von dem abgesetzten Präsidenten Yussuf mit Hilfe von 300 äthiopischen Milizionären aus der "Hauptstadt" Garowe vertrieben. Damit nicht genug, Yussuf startete auch eine Militäroffensive gegen die Wirtschaftsmetropole Puntlands Bossaso.
Um die Unterstützung der äthiopischen Regierung zu erhalten, beschuldigte Yussuf seine Gegner, mit der Islamisten-Gruppe Al Ittihad zusammenzuarbeiten. Äthiopien entsendete daraufhin über 1.000 Soldaten, um Yussuf beizustehen. Mit dem Ziel, einen Militärschlag der Amerikaner zu provozieren, behauptete Yussuf, gegenüber dem italienischen Fernsehen, dass es in der Hafenstadt Bossaso im Norden Puntlands Trainingslager der Al Qaida Bin Ladens geben würde. Yussuf isolierte sich immer mehr, da er mit Hilfe der Äthiopier gegen somalische Landsleute und sogar gegen seinen eigenen Majertain-Clan vorging. Mit seinen äthiopischen Söldnern beherrschte er nur die Stadt Garaowe. Im restlichen Puntland besaß er keinen Einfluss mehr. Yussuf verweigerte jegliche Bemühungen um friedliche Lösungen. Er erhob öffentlich den Anspruch auf das Präsidentenamt für ganz Somalia und erkannte keine anderen Regierungen an.
Die Äthiopier weiteten ihre Unterstützung für Yussuf immer mehr aus. so erhielt er am 18.2.2002 eine größere Lieferung von schweren Waffen, um die Hafenstadt Bosaso anzugreifen, in der sein Nachfolger Jama Ali Jama residiert. Für Äthiopien ist diese Hafenstadt von strategischer Bedeutung, da durch die Unabhängigkeit Eritreas der Meerzugang für Äthiopien verloren gegangen ist. Über Bossaso könnte Äthiopien Güter über das Meer verschiffen, was vorher über die Hafenstadt Berbera abgewickelt wurde.
Autor: Dipl.-Pol. Mathias Weber.
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Weitere Informationen zu Puntland können Sie in dem Buch "Kein Frieden für Somalia?" nachlesen.