Am 3.4.1988 unterzeichneten der äthiopische Staatspräsident Mengistu und sein somalischer Amtskollege Barre ein Abkommen über vertrauensbildende Maßnahmen und vereinbarten ein Ende der Unterstützung der jeweiligen oppositionellen Gruppen des Nachbarstaates. Damit verlor die stärkste somalische Oppositionsgruppe "Somali National Movement" (SNM) ihre Stützpunkte im äthiopischen Grenzgebiet.
Derart in die Enge getrieben holte diese Gruppierung zu einem großen militärischen Schlag aus. Am 27.5.1988 begann die SNM in Nord-Somalia eine Offensive, auf deren Schlagkraft die somalische Armee anscheinend nicht vorbereitet war, und besetzte die Städte Burao und Hargeisa.
Barre ließ als Reaktion die beiden Städte mit Hilfe von Söldnerpiloten aus Südafrika Tag und Nacht bombardieren und erreichte damit eine fast vollständige Zerstörung von Hargeisa und Burao. Dabei sollen über 100.000 Menschen (vorwiegend Frauen, Kinder und ältere Menschen) ums Leben gekommen sein. Über 500.000 Somalis flüchteten nach Äthiopien und Dschibuti. Tausende fanden Zuflucht in West- und Nordeuropa, in den USA und Kanada. Bei ihrem militärischen Vorgehen gingen die Regierungssoldaten gezielt gegen die Ishaq-Bevölkerung vor. Die in Hargeisa und Burao lebenden Darod wurden von den Übergriffen weitgehend verschont. Flüchtlinge des Ogaden-Clans wurden ermutigt, die leeren Häuser und Geschäfte der Ishaq zu übernehmen. Bei der militärischen Operation wurden vorwiegend Hawiye als Soldaten eingesetzt. Die Clan-Unterschiede wurden also systematisch ausgenutzt und der Keil immer weiter zwischen Ishaq und Hawiye getrieben. In diese Politik passt auch die Bewaffnung der seit dem Ogaden-Krieg im Norden in Lagern lebenden Ogadenis, die sich Scharmützel mit Einheiten der SNM lieferten und auch Überfälle zwischen den Städten Sheik und Berbera ausübten.
Während dieser massiven militärischen Auseinandersetzungen unternahm Siad Barre Anstrengungen, um eine politische Lösung des Konflikts zu erreichen. Er versuchte, die Clan-Ältesten der Ishaq auf seine Seite zu ziehen und setzte am 9.8.1988 eine Verfassungskommission ein, deren Aufgabe es sein sollte, die Konfliktursachen und mögliche Lösungen zu sondieren. Diese Verfassungskommission brachte aber nur eine allgemeine Erklärung zustande, in der festgestellt wurde, dass eine politische Lösung gefunden werden müsse.
Ab 1989 bildeten sich mehrere Oppositionsgruppen, die anhand der Clanstrukturen entstanden. Die Hawiye gründeten nach ihrer Abwendung von der SNM in Rom den "United Somali Congress" (USC), der auch von den südsomalischen Sab unterstützt wurde. Selbst die bisher regierungstreuen Ogadenis fanden sich in der "Somali Patriotic Movement" (SPM) zusammen. Seit 1989 hatten vor allem diese beiden Oppositionsgruppen militärische Auseinandersetzungen mit der somalischen Armee im Grenzgebiet zu Kenia, in der Nähe von Bardhere, Baidhaba, Luuq, Belet Uen und Dhussa Mareb. Bei ihren militärischen Operationen sprachen sich diese beiden Gruppierungen offensichtlich ab. Durch etwa 3.000 Deserteure der somalischen Regierungsarmee war die SPM militärisch gut ausgebildet und bereitete den regulären Truppen ernsthafte Probleme.
Die einheitliche somalische Armee löste sich zwischen 1989 und 1990 auf. Die meisten Soldaten liefen zu ihren jeweiligen Clanmilizen über und brachten ihre Waffen in diese Kampfverbände mit ein.
Mitte 1989 kam es zu militärischen Auseinandersetzungen in der Zentralregion und im Süden Somalias. Am 14.7.1989 gab es einen erneuten Umsturzversuch, auf den die Regierung mit einem Massaker an 400 Ishaq antwortete. Der Konflikt heizte sich seitdem immer mehr auf: Im April 1990 wurden 20 Angehörige des Ishaq-Clans in der Stadt Berbera erschossen und im Mai 1990 fanden in Belet Uen mehr als hundert Zivilisten -darunter viele Frauen und Kinder- einen grausamen Tod.
Um die Konflikte zu beenden, schlossen sich 114 prominente Somalis über alle Clan-Grenzen hinweg zusammen und unterzeichneten ein Manifest, in dem sie die Einberufung einer "National Conference for Reconciliation and Salvation" forderten und Barre anboten, bis Dezember 1993 sein Amt zu behalten. Am 15.5.1990 wurde Barre dieses Dokument übergeben, doch statt Verhandlungen anzubieten und damit den Konflikt zu entschärfen, setzte Barre auf Repression: 47 Unterzeichner des Manifests kamen in Untersuchungshaft und sollten vor Gericht gestellt werden. Die Justiz vertrat die Interessen der amtierenden Staatsführung: Politische Prozesse waren einem besonderen Gericht, dem "Nationalen Sicherheitsrat", vorbehalten, dessen Richter (meist Offiziere) direkt von Barre ernannt wurden. Neben dem regulären Gericht waren zudem noch Sondergerichte tätig (auch von Offizieren geleitet), die ebenfalls zu Haft und Todesstrafe verurteilen konnten. Aufgrund der neuen Entwicklung des Landes und der internationalen Intervention wuchs der Druck auf das Regime, das daraufhin die Verhafteten wieder auf freien Fuß setzte.
Am 7. Juli 1990 wurde Siad Barre in einem Fußballstadion ausgebuht. Als Reaktion richteten die Sicherheitskräfte ein Blutbad unter den Stadionbesuchern an, welches Tausende von Opfern kostete. Eine friedliche Konfliktlösung schien immer unwahrscheinlicher.
In der Bevölkerung breitete sich eine allgemeine Unzufriedenheit aus, da auch die wirtschaftliche Lage immer dramatischer wurde. Die Inflation galoppierte und die öffentlichen Bediensteten verdienten im Monat gerade soviel, wie ein Kilo Ziegenfleisch im Laden kostete. Um das Überleben zu sichern, war fast jeder Angestellte auf Nebenbeschäftigungen oder Bestechungen angewiesen. 1990 zählte das durchschnittliche Jahreseinkommen eines Somalis weniger als 250 Euro Somalia gehört damit zu einem der ärmsten Länder dieser Welt.
1990 verschärften sich die Kampfhandlungen, vor allem zwischen dem USC und den Regierungstruppen. Während dieses Konflikts in Zentralsomalia begann der SPM , in den südlichen Regionen verstärkt Regierungstruppen anzugreifen sowie Militärbasen zu bekämpfen, und gewann die Kontrolle über wichtige strategische Orte. Die Regierungstruppen hatten praktisch nur noch die Hauptstadt Mogadischu und dessen nähere Umgebung unter ihrer Kontrolle.
Italien und Ägypten unternahmen noch einmal den Versuch, die Regierung und die Opposition zu einer gemeinschaftlichen Lösung an einen Tisch zu bringen, doch war es dafür schon zu spät. In Mogadischu brachen schon Kämpfe aus. Nachdem der USC im Januar 1991 Mogadischu eingenommen hatte, floh Siad Barre in seine Heimatregion im Südwesten Somalias.
Am Morgen des 29.1.1991 verkündete Radio Mogadischu, dass Ali Mahdi der neue Präsident Somalias sei und eine provisorische Regierung gebildet habe. Erst jetzt bot der USC unter Mahdi den beiden anderen großen Gruppen SPM und SNM an, sie an einer Übergangsregierung zu beteiligen. Jedoch konnten sich die Oppositionsgruppen nicht einigen, wie die Ära nach Barre aussehen sollten, vielmehr brachen offene Machtkämpfe aus, denn der USC hatte den Fehler gemacht, eine neue Regierung auszurufen, ohne andere Oppositionsgruppen an der politischen Neugestaltung wesentlich zu beteiligen.
Das Kabinett vertrat mehrere politische Strömungen und Clans Somalias. Der Wiederaufbauminister war ehemaliger Botschafter bei der UNO, der Finanzminister war unter Barre Polizeichef und damit eine wichtige Stütze des Regimes gewesen. Der Premierminister Omar Arte Ghalib war ein Ishaq aus dem Norden und ehemaliger Außenminister der alten Regierung Barre. Diese neue Regierung des USC und den Hawiye wurde von den anderen Gruppierungen nicht anerkannt und bekämpft.
Um alle ehemaligen Oppositionskräfte zu einigen und zu einer Anerkennung seiner Übergangsregierung zu bringen, beraumte Mahdi eine "Nationalkonferenz" für den 28.2.1991 an. Die SNM sagte ihre Teilnahme an dieser Konferenz ab, da Mahdi diese einberufen hatte, ohne dies mit den anderen ehemaligen Oppositionsgruppen abzustimmen. Daraufhin musste der USC die gesamte "Versöhnungskonferenz" absagen. Doch unterzeichneten am 24.4.1991 die Vertreter beider Gruppierungen ein gemeinsames Bekenntnis zur "Wahrung der staatlichen Einheit des Landes" und zu einer baldigen "Versöhnungskonferenz", die eine neue Übergangsregierung ernennen und eine zukünftige Verfassung ausarbeiten sollte.
Der SNM rief im Mai 1991 die "Republik Somaliland" als unabhängigen Staat aus und in Dschibuti fand eine Versöhnungskonferenz statt, an der allerdings der SNM und die neu gegründete Barre-Partei "Somali National Front" (SNF) nicht teilnahmen. Mit der Sezession wurde praktisch der Einheitsvertrag von 1960 aufgehoben, der die Fusion des britischen Protektorats im Norden mit der italienischen Kolonie im Süden besiegelt hatte. Die SNM argumentierte, dass zu dieser Vereinigung keine Volksabstimmung stattgefunden hätte, die Bevölkerung also "zwangsvereinigt" wurde. Es wurde eine elfköpfige Regierung gebildet und eine Nationalversammlung ins Leben gerufen. Mit der Ausarbeitung einer Verfassung und der Verteilung von Regierungsaufgaben wurde ein Ausschuss beauftragt, der sich aus mehreren Clans zusammensetzte: 45 Ishaq, 20 Gadabursi, 25 Dulbahante, und zehn Warsangeli. Mit dem Süden wolle man freundschaftlich kooperieren "aber auf der Basis von zwei souveränen Staaten", so der Außenminister.
Unter der Vermittlung von Italien und Ägypten sowie finanziert durch Saudi-Arabien fand im Juli 1991 in Dschibuti eine Versöhnungskonferenz statt. Dort sollten die verfeindeten Gruppierungen wieder an einen Tisch gebracht und eine Lösung für Somalia gefunden werden. Clanführer der Hawiye versuchten, den USC wieder zu einigen, und entwarfen einen Machtteilungskompromiss: Ali Mahdi bestätigte man für zwei Jahre als Interimspräsident, doch machte man ihm zur Auflage, mit allen ehemaligen Oppositionsgruppen des Barre-Regimes eine neue Regierung zu bilden.
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Autor: Dipl.-Pol. Mathias Weber.
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